Belletristik

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nemesis

Beitrag von nemesis »

Richard Powers – Schattenflucht
Fischer Taschenbuch Verlag, 2000
ISBN 3-596-15382-4

Taschenbuch, 543 Seiten

Virtuelle Realität (kurz auch VR) – ein Thema, dessen Reiz sich heute etwas verflüchtigt hat, nachdem es zu Beginn der 90er als greifbare Zukunft gehandelt wurde. Wozu soll diese zweite Realität aber eigentlich genau gut sein? Was fängt man mit ihr, wenn sie technisch möglich geworden ist?

Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wird die Malerin Adie Klarpol von ihrem alten Studienfreund Steve Spiegel für ein Projekt angeworben, das eine VR-Umgebung schaffen soll, die sog. Grotte. Adie, die ihre künstlerischen Ambitionen längst an den Nagel gehängt hat und für die Werbebranche arbeitet, ist begeistert und bildet die Welt des Sichtbaren und der Kunst in der Grotte nach. Schon bald beginnt sie, sich in völlig in dieser Welt zu verfangen - bis sie erkennt, wem sie mit ihrer Arbeit behilflich ist. Zur etwa gleichen Zeit tritt der amerikanische Lehrer Taimur Martin eine Stelle an einer Sprachschule im Libanon an. Durch einen dummen Zufall wird er von einer Terroristengruppe entführt und viele Jahre in einer Art Höhle gefangen gehalten. Taimur kämpft mit aller Macht gegen die Verzweiflung und auch die Hoffnung, schafft sich eigene Welten, um nicht der Gleichförmigkeit zu erliegen und den Verstand zu verlieren. Nur auf diese Weise kann er überleben.


Kunst und Phantasie in ihrem Kampf mit der Realität – so könnte man die Themen dieses Buches wohl am besten beschreiben. Ihr Verhältnis bestimmt den Gang der Handlung und bringt für beinahe alle Figuren dieses Romans einen Wandel in ihrem Leben. Eine scheinbar totale Freiheit, die jeder Künstler zunächst einmal hat, wird durch die Zwänge des wirtschaftlichen Lebens immer weiter eingeschränkt, bis der große Traum geopfert werden muß. Derartige Erfahrungen haben fast alle Personen hier machen müssen. Adie, ihr Ex-Freund Ted, Steve Spiegel – sie alle waren einst freischaffende Künstler, die um zu überleben, begonnen haben, ihre Kunst in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Der Freidenker Ted hat seinen größten Erfolg mit einem Werbe-Jingle, Adie arbeitet für Werbeagenturen und entwirft Buchrücken, Steve hat seinen großen Roman aufgegeben und ist inzwischen Programmierer. Und auch die zunächst völlige Zweckfreiheit der Grotte wird im Verlauf des Romanes mehr und mehr der Frage weichen, wie man die Technik denn gewinnbringend einsetzen könnte. Daß dabei die bisherige künstlerische Betätigung Adies und auch einiger anderer Mitarbeiter in Seattle immer weiter eingeschränkt wird, ist nur logisch. Die Kunst ordnet sich unter, denn sie alleine kann die Technik nicht verkaufen. Ein nicht ohne weiteres sichtbarer Sinn oder Zweck ist kein Verkaufsargument. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, daß die Grotte möglicherweise auch ein Bild für Platos Höhle sein könnte. Die Menschen versuchen nicht die alte Höhle zu verlassen, sondern bauen sich lieber eine weitere Höhle „in der Höhle“. In deutlichen Gegensatz dazu stellt Powers den Kampf Taimurs in seiner Gefangenschaft. Er kann sich ausschließlich mit der Phantasie, der völligen geistigen Freiheit retten, benötigt dazu aber dennoch gewisse Ansatzpunkte, die er nur in der Kunst bzw. der Literatur finden kann. Doch auch seine geistigen Fluchtmöglichkeiten werden schließlich an der harten Realität zerschellen. Und damit kommt es dann zu der rätselhaftesten Szene des ganzen Buches, in der sich die beiden Protagonisten begegnen, ohne räumlich beieinander zu sein.
Diese beiden Geschichten verwebt Powers auf eine beeindruckende Art und Weise miteinander. Atemlos verfolgt der Leser Taimurs verzweifelten Kampf um seine geistige Gesundheit, mit Sympathie und Neugier erlebt man das erneute Erwachen der Künstlerin in Adie. Dabei hätte man sich aber doch noch einige weitere Passagen über Taimur gewünscht, der Schwerpunkt liegt etwas zu eindeutig bei Adie. Glücklicherweise sind aber auch ihre Abschnitte im Roman zu keiner Zeit langatmig oder zu breit ausgeführt. Der Spannungsbogen trägt die Handlung ohne Brüche durch das Buch, ohne das völlig sicher ist, wie sich das Buch entwickeln wird. Besonders erfreulich ist dabei auch die nahtlose Einbettung der Erzählung in die Zeitgeschichte. Diese ist hier nicht schmückendes Beiwerk sondern integraler Bestandteil des Buches, die gegen Ende des Buches zum ersten wirklich neuen Kunstwerk Adies führen wird. Dieses ist zwar etwas zu pathetisch geraten, überschreitet aber nicht die Grenze zum Kitsch. Auch die jeweilige Atmosphäre der Umgebung hat Powers brillant eingefangen. Die hochtechnisierte Welt in Seattle mit ihrem noch immer vorhandenen Fortschrittswahn und die zerstörten Städte im Libanon entstehen überaus plastisch vor den Augen des Lesers.

Sehr schön ausgearbeitet sind auch der Großteil der Figuren. Vor allem Taimur beeindruckt, seine Haßliebe zu seiner Ehefrau, die er selbst in der Gefangenschaft noch auslebt, ist grandios dargestellt. Der permanente Kampf gegen die Verzweiflung und das Nachlassen der anfänglichen Hoffnung hat Powers sorgfältig erarbeitet und macht für den Leser das Innenleben dieses Mannes verständlich. Auch die vielen Nebenfiguren in Seattle sind nicht bloß austauschbare Namen, sondern echte, lebendige Menschen. In kleinen eingeschobenen Kapiteln wird kurz ihr Hintergrund beleuchtet und eine einzelne Passage des Buches aus ihrer jeweiligen Sicht erzählt. Dabei fällt besonders Karl Ebersen auf, wie Adie ein Künstler, der jedoch seine Arbeit nach einem Schicksalsschlag völlig vor anderen verschließt. Gerade Karl ist für einige der anrührendsten Momente in dem Buch verantwortlich. Zunächst eher humoristisch gezeichnet dagegen scheint Jackdaw, ein junger Programmierer, der sich so mit den Computern identifiziert, daß er schon selbst beinahe wie einer denkt. Später wird auch diese Person dann mit einem plausiblen Hintergrund versehen, der seinen Wunsch nach Flucht vor der Realität klar begründet. Leicht überzeichnet dagegen erscheint der todkranke Ted, Adies ehemaliger Freund. Im Kreis der Figuren bleibt dann aber ausgerechnet Adie selbst relativ blaß. Zwar verwendet Powers viel Mühe darauf, diese mit einem glaubwürdigen Hintergrund auszustatten, ihre Persönlichkeit bleibt aber zu sehr im Dunkeln. Die Motive, die sie in die Grotte treiben, sind zumindest schlüssig und nachvollziehbar, als Mensch kommt sie dem Leser aber nicht nahe. Stevie Spiegel schließlich ist von allen Nebenfiguren die schwächste. Seine gesamte Beziehung und Motivationslage zu Ted und Adie hätte Powers deutlich präziser herausarbeiten müssen. Die Liebesbeziehung, die sich schließlich zwischen Adie und Stevie entspinnt, bleibt daher auch rudimentär und an der Oberfläche.

Sprachlich ist das Buch herausragend. An dieser Stelle ist auch der Übersetzung ein großes Lob auszusprechen, die kongenial den Tonfall des Originals getroffen hat. Wie es Powers gelingt zwischen der hochtechnisierten Welt in der Grotte und dem archaischen Leben Taimurs im Libanon bruchlos zu wechseln, ist wirklich beeindruckend. Zu jeder Zeit hat er den passenden Ton gefunden, sowohl die Hoffnung, als auch die Verzweiflung der Geisel zu beschreiben, ohne dabei in Plattitüden zu verfallen. Powers wechselt dabei für die jeweiligen Kapitel die Perspektive: während der Leser Adies Erfahrungen aus der Sicht eines auktorialen Erzählers verfolgt, der auch die inneren Vorgänge aller beteiligten Personen kennt, erlebt man die Geschehnisse im Libanon quasi persönlich, aus einer Sicht in Taimurs Kopf. Die Isolation und der Rückzug auf sich selbst wird dadurch wesentlich plastischer. Die Verbindung zwischen den beiden Erzählsträngen stellen dann die immer wieder eingeschoben metaphysischen Texte über den „Raum jenseits der Zeit“ dar, die gegen Ende des Buches plötzlich zu einer Verbindung zwischen Adie in der Grotte und Tamir im Libanon führen. Phantasie als grenzüberschreitender Bereich, der Kontakte auch über die halbe Welt knüpfen kann, ohne daß es dazu Worte bedarf.

Fazit
Ein großartiges Buch über die Kunst und die Phantasie, sowie deren Grenzen. Sehr atmosphärisch, mit gößtenteils glaubwürdigen Figuren hätte man sich nur eine breitere Darstellung auch von Taimurs Schicksal gewünscht. Ansonsten makellos und höchst empfehlenswert, gerade auch für die Technikbegeisterten.
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Beitrag von Rider »

Das könnte was für mich sein :-)
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-Andre of Astora
nemesis

Beitrag von nemesis »

Cormac McCarthy - Die Straße
Rowohlt, 2007

Gebunden, 253 Seiten

Die USA nach einem Atomkrieg. In einer verbrannten und zerstörten Welt gibt es immer noch Menschen, die verzweifelt versuchen, zu überleben. Einfach ist das nicht, die Sonne dringt nicht mehr zur Erde hindurch, Tiere sind verschwunden und die Pflanzen alle tot. In den Überresten der Zivilisation haben viele der Überlebenden die letzten Hemmungen verloren und scheuen sich nicht, andere Menschen zu fangen und zu essen. In dieser Welt ziehen ein Vater und sein Sohn nach "Süden", denn dort "ist es besser". Dabei versuchen sie, den Kannibalen auszuweichen und zugleich nicht selbst in deren Verhaltensmuster zu verfallen.

Ein sehr düsteres und verstörendes Buch, das nicht an Abgründigem spart. Die zerstörte Welt wird hier nicht wie in einem Science-Fiction ausführlich dargestellt, sondern nur skizziert und angedeutet. Sie ist auch nicht das Thema, sondern nur Tableau für die Frage, ob man sich in einer solchen Welt noch Reste von Menschlichkeit bewahren kann und vor allem, inwieweit sich die Überlebenden (der Vater nennt sich und seinen Sohn immer "die Guten", während die Kannibalen "die Bösen" sind) eigentlich wirklich voneinander unterscheiden. Allen geht es um ihr Überleben. Mehrfach ist der Vater bereit einen anderen Menschen, der auch nur leben möchte, für das eigene Überleben zu opfern. Ist ein solches Verhalten hinnehmbar? Für den Vater schon, denn er will seinen Sohn schützen; dieser aber zweifelt. Doch nicht nur diese Frage wird thematisiert, sondern auch das "Warum" der Existenz, sowie die Frage nach dem Danach. Im hinteren Drittel stellt der Sohn die Frage nach Sinn dessen, was er und sein Vater tun: "Was machen wir hier?" Welchen Sinn hat die Existenz in dieser Welt, aus der es keinen Ausweg gibt? Eine Antwort finder der Vater nicht. Auch der Leser wird sich schwertun, eine zu geben.
Die Sprache des Romans ist knapp und reduziert. Es gibt wenig in dieser Welt zu sagen, dementsprechend reden auch die Protagonisten nur wenige Worte. Dennoch läßt der Autor an anderer Stelle mit diesen dürren Sätzen das ganze Grauen der Vernichtung vor dem Auge des Lesers entstehen, bpsw. wenn im Wald der ausgewaidete Leichnam eines Kleinkindes über einem Feuer brät.

Kurz gesagt, ein großes Buch, das aber wegen der Düsterkeit der Thematik und der völligen Hoffnungslosigkeit sicher nicht jedem liegen wird. Dennoch unbedingt empfelenswert, auch als eine Erzählung darüber, was Menschen einander antun können und zugleich als Plädoyer gegen den Krieg.
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Beitrag von Rider »

Hört sich interessant an! Seitenzahl kommt mir etwas kurz vor.
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-Andre of Astora
nemesis

Beitrag von nemesis »

Wie schon gesagt, es geht nicht um die Beschreibung dessen, was genau passiert ist (das wird das ganze Buch hindurch nicht genauer erklärt) oder wie die Welt jetzt aussieht. Der Konflikt wird geschildert und mehr Worte hätten der Thematik nichts mehr hinzufügen können. Die Länge halte ich für völlig ausreichend. :wink:
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Beitrag von Bulletrider »

"Chez Max" von Jakob Arjouni
Diogenes Verlag

Eines vorweg: Obwohl dieses Buch im Jahr 2064 spielt, ist es - mal abgesehen von futuristisch angehauchten Fahrzeugen/Autos und einigem High-Tech-Media Schnickschnack (3m breite Fernseher...) - kein im klassischen Sinne Sci-Fi Roman. Vielmehr ein beeindruckend gut vorstellbarer, zynischer Blick in eine nicht so ferne Zukunft.

Da ichs nur mit etwas anderen Worten beschrieben hätte, zitiere ich hier mal www.krimi-couch.de - spart mir Zeit :wink:

"Die Ereignisse des 11. September 2001 gelten als Geburtsstunde einer neuen Weltordnung. Der euro-chinesische und nordamerikanische Kontinent sind vom Rest der Welt durch einen Zaun abgetrennt worden. Afrika, Südamerika und Teile Asiens existieren im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht mehr. Die Welt außerhalb dieser Grenze auch nur zu erwähnen, gilt als staatsfeindlich. Europa und China teilen sich die politische Macht, Nordamerika verarmte infolge der Anti-Terror Kriegsmassnahmen zu einem Agrarstaat (mein Kommentar: sehr schöne Vorstellung), bleibt aber aus Dankbarkeit an die Grundsteinlegung für die neue Welt auf der richtigen Seite des Zauns.

Jacob Arjounis abgeschottete und streng überwachte Welt im Jahre 2064 erinnert ein wenig an die dystopischen Klassiker von George Orwell (1984) und Aldous Huxley (Schöne neue Welt) oder auch an die literarische Vorlage zum Film „Minority Report“ von Philip K. Dick. Chez Max weist allerdings durch den direkten Bezug zu den Ereignissen des 11. Septembers 2001 und der nachfolgenden politischen Entwicklung einen viel erschreckenderen Realitätsbezug auf. Die Erschaffung einer Ersten Welt hinter einem 60 000 km langen Zaun erscheint zwar absurd, wäre aber als letzte Konsequenz einer erfolglosen, aber absoluten Terrorbekämpfung nicht völlig unvorstellbar. Arjounis beissender Spott über die amerikanische Anti-Terror-Politik ist ebenso zynisch, wie amüsant: In Chez Max verarmten ausgerechnet die reichen Vereinigten Staaten infolge des nicht endenden Irak-Desasters und wurden von Europa und China zur Kornkammer der privilegierten Staaten umfunktioniert."

Das ist sozusagen die Rahmenhandlung, das Setting. Die Story selbst dreht sich um den Max Schwarzwald, der für die so gen. Ashcroft Organisation arbeitet. Diese Ashcroft Agenten leben unter dem Deckmantel einer bürgerlichen Tarnung (in diesem Falle sein deutsches Restaurant "Chez Max" in Paris) und bespitzeln und überwachen ihre Mitmenschen. Alles natürlich nur um Verbrechen im Vorfeld zu verhindern. Wie z.Bsp. das geplante illegale Rauchen einer Zigarette.
Allerdings ist Max im Gegensatz zu seinem Partner Chen nicht sehr erfolgreich.
Chen ist intelligenter, erfolgreicher bei Frauen und einfach der bessere Mann im Geheimdienst. Kein Wunder, dass Max darauf sinnt, wie er ihn definitiv loswerden könnte, das ist allerdings nicht ungefährlich...


Noch dazu ein kleines Amazon Zitat:
"Die elitäre, politisch überkorrekte und auf raffinierte, huxleysche Weise alles normierende Gesellschaft der Zukunft hat tief in die Ethikkiste gegriffen und dort das Unterste zuoberst gekehrt. Der Wertewandel ist vollzogen, die Denunziation zum Beweis der Anteilnahme geworden. Das Schlimmste an Arjounis Text aber ist das würgende Gefühl, dass er lediglich bestehende gesellschaftspolitische Strömungen konsequent weitergeführt hat… “

Klar wird hier das Rad nicht wirklich neu erfunden, aber die Wortwahl, die Ironie und der Sarkasmus, treffen genau meinen Geschmack.
Kurzweilig amüsant und erschrekend zugleich - bleibt der Leser (oder Hörer, den das gibts auch als wirklich gut gelesenes Hörbuch) doch ab und zu das Lachen im Halse stecken.
nemesis

Beitrag von nemesis »

Haruki Murakami - Mister Aufziehvogel
btb, 1997

Taschenbuch, 765 Seiten

Toru Okada hat seinen Job in einer Tokioter Anwaltskanzlei aufgegeben, weil er sich dort nicht wohlfüllte. Seither sitzt er zuhause und tut nichts. Aber plötzlich ändert sich einiges in seinem Leben: zuerst nur kleine Veränderungen, mysteriöse Anrufe, der Kater läuft weg, eine sehr merkwürdige Wahrsagerin namens Malta Kano und deren Schwester Kreta Kano sollen bei der Aufklärung des Verbleibs des Katers helfen, ein alter Familienfreund vererbt ihm eine leere Schachtel und dann verläßt ihn auch noch seine Frau. Toru entdeckt, daß es scheinbar neben der gewohnten Welt eine zweite, sozusagen darunterliegende gibt, in der es ihm vielleicht gelingen kann, die Ursache für seine Probleme zu finden - aber auch seinen finsteren Schwager Noboru Wataya, der hier nach etwas sucht, was viele Menschen das Leben kosten kann.

Mal wieder muß ich eine klare Empfehlung aussprechen, auch wenn dieses Buch sicher nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Im Gegensatz zu vielen anderen postmodernen Erzählungen gibt es hier zwar eine Haupthandlung, die auch am Ende des Buches einen gewissen Grad von Abgeschlossenheit aufweist, trotzdem läßt das Buch mehr Fragen offen als es beantwortet. Unzählige Erzählstränge bleiben nicht abgeschlossen, viele Rätsel ungelöst - und damit der Phantasie des Lesers überlassen. Für Freunde einer Geschichte, die auf Seite 1 beginnt und am Schluß des Buches alles aufgelöst hat, daher definitiv nichts. Wer sich aber auf eine Erfahrung ähnlich einem Traum einlassen kann - ein Lesen, das nicht notwendigerweise einen erkennbaren Sinn hat, wird hier seine Freude haben. Murakami schreibt flüssig und präzise, seine Bilder sind treffend, nur manchmal wirken die Gespräche der Figuren etwas zu gewollt philosophisch. Das Motiv des orientierungslosen Menschen (meist Anfang 30) findet sich in fast allen Büchern Murakamis, er gewinnt ihm aber immer wieder neue Facetten ab - so auch hier. Lesenwert.
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Bulletrider
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Beitrag von Bulletrider »

Klingt eigentlich ziemlich interessant. Eigentlich bin ja ein fan von "echten Enden", aber bei so einem - wie Du ja schreibst - seltsamen, traumartigen Buch macht das ja schon irgendwie Sinn.
Muss ich dem vielleicht mal ne Art Chance geben...
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