Fantasy und Science-Fiction

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Rider
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Beitrag von Rider »

Was soll denn der Smilie bedeuten :skeptisch:
Hmm, ich finde man sollte nie mit zu hohen Erwartungen an ein Buch gehen...

Also ich find es klasse, aber kann ja sein, das dir die Geschichte nicht so zusagt.
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nemesis

Beitrag von nemesis »

Der soll bedeuten, daß ich bei Büchern, die jeder toll findet, immer etwas skeptisch bin, gerade wenn es im Fantasybereich angesiedelt ist. Da bin ich zu oft schon auf die Nase gefallen und fand die ganzen "Superbücher" (bspw. George R. R. Martins Bücher) ziemlich langweilig.

Andererseits könnte ein nettes Fantasybuch auch mal wieder ganz schön sein. Schreib doch mal jemand eine kleine Kritik, dann kann ich das etwas besser beurteilen (bitte nicht von amazon kopieren, da posten mir zu viele Deppen).
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Rider
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Beitrag von Rider »

Ohje, ich glaube, ich kann keine guten Kritiken schreiben. Das überlasse ich in diesem Fall dem Bulletrider :mrgreen:
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Bulletrider
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Beitrag von Bulletrider »

Hmm, da ich das meiste, was ich an Büchern udn Musik, die ich hier so poste, halt selbst gut finde, suche ich mir schon (aus Faulheit) amazon (u.a. Quellen) Sachen raus, die so ungefähr in die Richtung tendieren, wie ichs selbst sehe.

Hier nochmal der link zu meiner (faulen) "Besprechung" aus dem Steampunk Thread:
http://www.retropoly.de/retropolyforum/ ... 82&start=1

Da steht auch fast ausschl. was zum Inhalt. Vielleicht ist das ja was für Dich.

Kann nur soviel sagen:
Ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher, wenn nicht sogar DAS Buch für mich überhaupt.
Spannend, traurig, abgedreht, fantastisch, mitreissend, toll geschrieben.... ach - einfach genial und toll :D
nemesis

Beitrag von nemesis »

Ich sehe, der erste Band kostet nicht so viel, dann nehme ich das für den nächsten Monat mal auf meine Einkaufsliste auf...
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Rider
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Beitrag von Rider »

:laughing:
Wenn nemesis JETZT keine hohe Erwartungen mehr hat, dann weiß ich auch nicht :wink:
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scarface
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Beitrag von scarface »

meins halte ich hier gerade in den händen... werde jetzt hanniball rising zur seite legen, weil ich dabei eh regelmäßig bei einschlafe... und dann wird der goldene kompass verinnerlicht...
nemesis

Beitrag von nemesis »

William Gibson – Cyberspace
Heyne, 1988 (zur Zeit vergriffen)
ISBN 3-453-00993-2

Taschenbuch, 236 Seiten

Berühmt geworden ist William Gibson durch seine „Neuromancer“-Trilogie, mit der er beinahe im Alleingang das Genre des Cyberpunk begründete. Doch schon vor besagter Trilogie hat Gibson einige Erzählungen veröffentlicht, die in diesem Band zusammengefaßt sind.

Das Buch enthält insgesamt 10 Kurzgeschichten, die ausschließlich im SF-Bereich angesiedelt sind. Da ist zum Beispiel „Der mnemonische Johnny“, über einen Datenkurier, der die zu transportierenden Daten in seinem Kopf aufbewahrt und nun von der Yakuza verfolgt wird (übrigens als „Vernetzt“ mit Keanu Reeves verfilmt). In „Chrom brennt“ geht es um den Einbruch in ein Computersystem, in „New Rose Hotel“ um das Abwerben eines Wissenschaftlers. Beide Erzählungen sind inhaltlich und von ihrer Handlung her schon sehr nah an „Neuromancer“, „Chrom brennt“ wird in „Biochips“ sogar ausdrücklich erwähnt. Konventioneller dagegen sind „Roter Stern, Winterorbit“, das sich um eine Raumstation im Orbit dreht, und das ähnlich gelagerte „Hinterwäldler“. In „Luftkampf“ schließlich geht es um einen Mann, der so sehr um den Sieg in einem Videospiel kämpft, daß er alles dafür opfert, sogar seine Geliebte.


Eine Art Testlabor – so lassen sich die Kurzgeschichten wohl am ehesten beschreiben. Die teilweise nur wenige Seiten umfassenden Geschichten scheint Gibson benutzt zu haben, um seinen eigenen Stil zu finden und zu testen, sind sie doch alle vor „Neuromancer“ in amerikanischen SciFi-Magazinen erschienen. Große Spannungsbögen lassen sich daher auch nicht erwarten, dazu enthalten sie meistens einfach zu wenig Handlung. Einen echten Abschluß kann auch keine der Erzählungen aufweisen, jede von ihnen läßt das weitere Schicksal der Figuren offen, was aber nicht unbedingt negative sein muß. Erstaunlich ist allerdings, wie viele Elemente seiner späteren Erfolgsbücher Gibson schon vorher ausgearbeitet hat. Das gilt insbesondere für „Chrom brennt“, dessen Handlung, ohne besonders aufzufallen, auch in „Neuromancer“ enthalten sein könnte. Für den Fan der Trilogie ist es auch eine nette Überraschung einige Personen der Bücher zumindest versteckt wiederzusehen. In „Der mnemonische Johnny“ trifft man auf eine Profikillerin namens Molly, die frappierende Ähnlichkeit mit der Molly aus „Neuromancer“ aufweist. Und in „Chrom brennt begegnet dem Leser dann auch der „Finne“, ein Hehler für Hackerware. Auch viele der Namen für Firmen und Geräte hat Gibson bereits hier eingeführt. Leider ist Gibson die Arbeit mit den Figuren noch nicht völlig gelungen. Gerade in einer Erzählung wie „Luftkampf“, die von den inneren Motivationen des Protagonisten lebt, hätte man sich eine präzisere Analyse dieses Menschen gewünscht. Was ihn letztlich zu seinem Tun treibt, bleibt hier leider völlig im Dunkeln.

Die Atmosphäre der Erzählungen ist meist sehr düster, in Anlehnung an die späteren Romane die ja eine eher hoffnungslose Version der Zukunft zeigen. Für den Großteil der Menschen wird das Leben sehr schwer, Slums und Armut breiten sich aus, während einige wenige ein Leben im Luxus führen. Die Politik hat sich völlig zurückgezogen und die Macht den Konzernen überlassen. Erstaunlich dabei ist, daß Gibson nicht nur in beinahe jeder der Geschichten eine tatsächlich glaubwürdige Zukunft schafft (sieht man mal von „Hinterwäldler“, „Zubehör“ und „Roter Stern, Winterorbit“ ab), sondern daß er sogar mit seinen Vorstellungen in weiten Teilen nahe an der Realität lag. Natürlich hat sich die Technik etwas anders entwickelt, und doch sind viele seiner Vorhersagen im Großen und Ganzen eingetroffen (die Politik kuscht ja heute schon oft genug vor der Wirtschaft...).

Das Zurückgreifen bzw. Vorgreifen auf die späteren Werke ist aber gleichzeitig auch eine der Schwächen dieser Sammlung, setzt sie doch eine Kenntnis der späteren Bücher voraus, um die Geschichten wirklich vollständig genießen und verstehen zu können. An vielen Stellen wird ein Leser, der „Neuromancer“ nicht kennt, zumindest leichte Verständnisschwierigkeiten haben, wenn Gibson seine technischen Visionen mit viel zu knapper Erklärung in den Raum wirft.
Und hier liegt auch eine weitere Schwäche beinahe aller Erzählungen: viel zu oft benutzt Gibson ein wahres Trommelfeuer technischer Begriffe, die einen an Dialoge auf der Brücke des Raumschiffs Enterprise erinnern. Unsinnige Kombinationen von wissenschaftlich anmutenden Wörtern wirken zwar sehr schön futuristisch, führen beim Leser aber eher zu schlichtem Unverständnis. Diese Passagen überliest man besser rasch, ohne sich große Gedanken darüber zu machen. In manchen der Erzählungen (bspw. „Hinterwäldler“) braucht Gibson auch viel zu lange, um dem Leser die zum Verständnis der Geschichte notwendigen Informationen zu vermitteln. Wenn der Leser erst im letzten Drittel der Geschichte begreift, was die beteiligten Personen eigentlich tun, der Autor dieses Wissen aber schon zu Beginn der Geschichte voraussetzt, ist das ein mehr als schlechtes Timing. Ohnehin sind die Erzählungen in ihrer sprachlichen Qualität stark schwankend. Die Kraft in den Beschreibungen fehlt teilweise noch völlig, die es Gibson später ermöglichen wird, mit einem einzigen Satz die Stimmung und Atmosphäre eines ganzen Buches festzulegen (wer sich fragt, was ich meine, lese sich einfach mal den ersten Satz von „Neuromancer“ durch – da ist schon mehr oder weniger die ganze Geschichte enthalten). Andere der Geschichten sind sprachlich daggen schon nah an seinem späteren Erfolgen angesiedelt. Diese lesen sich auch sehr flüssig und entwickeln schon den Sog seiner späteren Werke („Chrom brennt“, „Der mnemonische Johnny“).

Ein kurzes Wort noch zur Übersetzung: diese ist nicht immer gelungen, manche Passagen sind überaus merkwürdig formuliert, teilweise fehlen auch Worte. Die recht häufigen Rechtschreibfehler fallen auch immer wieder störend auf und lassen auf ein schlechtes Lektorat schließen. Es gab allerdings noch eine spätere Ausgabe dieses Buches, das einen weiteren Übersetzer nennt. Es steht zu hoffen, daß dort diese Fehler korrigiert sind.

Fazit
Für Fans von Gibson sicherlich ein Muß, schon deswegen weil man hier den Werdegang des Autors beobachten kann und einige liebgewonnen Charaktere aus „Neuromancer“ wiedertrifft. Lesern, die besagtes Buch noch nicht kennen, sollten allerdings erst zu jenem Buch greifen, da sie sonst hier manches nicht verstehen werden.

7/10
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Bulletrider
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Beitrag von Bulletrider »

@Rider.

Du wolltest doch sowas in der Richard Morgan Richtung lesen, oder?
Bin eben durch Zufall auf einen Autor namens Neal Asher gestoßen, der mit Morgan verglichen wurde. bei amazon findet man geteilte Meinungen. Ist wohl keine hohe Literatur, aber SciFi mit viel Action und abgedrehten Ideen.

Ich werd mir mal den ersten Teil einer Trilogie die Tage bestellen und dann mal reinschnuppern...Achja, im Mai kommt dann "Black Man" von Morgan raus!!! *freu*
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Rider
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Beitrag von Rider »

Ohja, berichte mal!!
Das Morgan-Buch kommt ja sicherlich erstmal auf englisch, nicht wahr?
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Beitrag von Bulletrider »

Yes, my friend :wink:
nemesis

Beitrag von nemesis »

So, in den letzten Stunden die Kritik zu Pullman geschrieben. Ich habe mich bemüht, ehrlich zu sein, weil ein Hochjubeln, nur um niemandem auf die Füße zu treten, ja auch nicht Sinn der Sache hier ist. Ich diskutiere anschließend auch gerne über meine Meinung. Hoffentlich fühlt sich am Ende der Kritik niemand verletzt, gerade weil das ja auch ein Lieblingsbuch ist... *seufz*

Philip Pullman – Der goldene Kompaß
Carlsen Verlag, 1995
ISBN 3-551-35123-6

Taschenbuch, 444 Seiten

Nachdem hier ja nun beinahe jeder dieses Buch gelesen und mir von dessen Qualitäten vorgeschwärmt hatte, war irgendwann der Zeitpunkt gekommen, wo eine Lektüre unausweichlich war. Irgendwann will man ja auch mal wissen, wovon da immer geredet wird... ;-)

Eine Zusammenfassung der Handlung ist zwar bei euch eigentlich überflüssig, aber um der Vollständigkeit willen:

In einer Welt, die fast der unseren entspricht, wächst das Mädchen Lyra an einem College in Oxford auf. In dieser Welt hat jeder Mensch einen sog. Dæmon, eine Art tierischen sprachbegabten Begleiter, der durch ein seelisches Band fest mit dem jeweiligen Menschen verbunden ist. Von ihrem Verwandten Lord Asriel erfährt Lyra, daß weit im Norden merkwürdige Städte in den Nordlichtern gesichtet wurden und zugleich auch der mysteriöse „Staub“, ein höchst kontroverse Substanz, dort erforscht werden könnte. Kurze Zeit später holt eine Mrs. Coulter sie aus dem College zu sich und beginnt sie, auf eine mögliche Reise in den Norden vorzubereiten. Lyra flieht, als sie feststellen muß, daß die von ihr zuerst bewunderte Frau offenbar etwas mit dem Verschwinden zahlloser Kinder zu tun, darunter auch ihr bester Freund Roger. Bei den zigeunerhaften Gyptern findet Lyra Unterschlupf und plant nun mit diesen eine Rettungsmission in den Norden, wo die wilden Panzerbären inzwischen ihren Onkel gefangengenommen haben...


Fantasy-Bücher sind eigentlich meist eine recht angenehme Lektüre. Da wird mit viel Aufwand eine möglichst glaubwürdige Welt erschaffen, in der man zumindest bei guten Büchern gerne versinkt. Zwar meistens nicht besonders anspruchsvoll sind diese Bücher doch oft gute Unterhaltung, die man mit viel Freude und Begeisterung liest und bei denen der Leser eigentlich immer mit den Figuren mitfiebert und -leidet (ein weiteres Mal muß ich auf meinen persönlichen Fantasy-Favoriten hinweisen, die „Osten-Ard“-Saga von Tad Williams). Gute Unterhaltung fühlte ich mich auch diesmal geboten, allerdings trüben einige Schwächen, den eigentlich positiven Gesamteindruck.

Die Handlung des Buches kann insgesamt überzeugen, sie wird in einem meist angemessenen Tempo und mit einem guten Gefühl für die Spannung erzählt. Eher gemächliche Passagen, wie bspw. der Aufenthalt in der Wohnung Mrs. Coulters wechseln sich mit rasant geschriebenen Abschnitten ab, so daß ich auch dann weitergelesen habe, wenn das Interesse an der Handlung etwas nachzulassen drohte. Die Handlung ist auch gut konstruiert und überzeugt mit einem gelungenen Spannungsbogen. Der Reiz, erfahren zu wollen, wie sich die Handlung entwickelt, läßt das ganze Buch über nicht nach, auch wenn einiges doch in gewissen Zügen vorhersehbar ist. Selbst das Cliffhanger-Ende nimmt man dem Buch nicht übel, bietet es doch genügend zufriedenstellende Erklärungen für das bisherige Geschehen. Zugleich weckt es auch mein Interesse an den Folgebänden. Allerdings hatte ich immer wieder das Gefühl, viele der Handlungselemente schon einmal an anderer Stelle gelesen zu haben. Das muß nicht bedeuten, daß Pullman plagiiert hat, aber er scheint sich zumindest recht deutlich von verschiedenen anderen Büchern inspiriert haben zu lassen. Spontan fielen mir beim Lesen die Joan-Aiken-Romane „Wölfe ums Schloß“ und „Verschwörung auf Schloß Battersea“ sowie „Moira – Die Reise zum Nullpunkt der Welt“ von Friedrich Kabermann ein. Allerdings stören diese Ähnlichkeiten nicht besonders – ein Autor muß nicht immer das Rad vollständig neu erfinden. Pullman hat hier genügend eigene Elemente einfließen lassen, um über die eine oder andere auch deutliche Anleihe hinwegzusehen. Gerade im Fantasy-Genre gibt es auch gewisse immer wiederkehrende Merkmale, die zu einem solchen Buch einfach dazugehören. Und Pullman hat hier nicht die Frechheit eines Terry Brooks begangen, der in seinem ersten „Shannara“-Buch sehr eindeutig bei Tolkiens „Herr der Ringe“ abgeschrieben hat. Störender fand ich, daß der Autor seine Handlung zwar im angemessenen Erzähltempo präsentiert, das alles aber trotzdem viel zu schnell geschieht. Pullman läßt leider viel zu viele Geheimnisse seiner Welt sich nicht aus dem Romangeschehen und den Handlungen der Figuren ergeben, sondern offenbart diese in recht knappen Ansprachen, die verschiedene Person verstreut über das Buch halten (die Hexenkönigin, Farder usw.). Dadurch fühlte ich mich um einen guten Teil dessen betrogen, was den Reiz an Fantasy-Romanen ausmacht, nämlich das Entschlüsseln der Geheimnisse der jeweiligen Welt. In vorliegenden Buch erfolgt dieses Enträtseln für meinen Geschmack zu sehr auf dem Präsentierteller. Nur das Schicksal der entführten Kinder ist insofern angemessen dargestellt. Aber auch hier ergibt sich alles viel zu schnell. Eine echte Entwicklung der Handlung und der Atmosphäre kommt so nicht zustande. Das Buch gleicht daher eher einer Sammlung von Highlights, ohne sich um das Dazwischen zu kümmern. Schließlich gibt es einige Ereignisse in der Handlung, die ich schlicht unlogisch fand. Wenn es bspw. nur eine (eingestürzte) Schneebrücke über den Abgrund gab, wie ist Mrs. Coulter dann auf die andere Seite gekommen?

Dieses eher Schlaglichtartige der Handlung setzt sich auch in der Beschreibung der Welt fort. Im Vorwort erläutert der Autor, diese Welt sei „der unseren sehr ähnlich, aber doch ganz anders“. Gerade dann würde es natürlich Sinn machen, diese Andersartigkeit auch ausführlich darzustellen, um dem Leser ein Gefühl für die Welt zu vermitteln. Genau das fehlt dem Buch allerdings. Zwar werden immer wieder einzelne Elemente kurz angesprochen, ein Gesamtbild der Welt entsteht für mich jedoch nicht. Das führt dann dazu, daß die kargen Hinweise nur wenig konsistent wirken. Einerseits gibt es in Lyras Welt Atomkraftwerke und Neonlampen, andererseits aber keine Flugzeuge sondern nur Zeppeline und Ballons, wohl aber wiederum Autos. Richtig zusammen findet das alles nicht. Das ist vor allem deswegen schade, weil an anderer Stelle sehr geschickt eine schöne und schlüssige Atmosphäre erzeugt wird. Die Szenen in Bolvangar und auch das Leben der Panzerbären sind überzeugend und mitreißend geschildert. Warum konnte der Autor dies nicht auch an anderen Stellen durchhalten? Bei der Lektüre fielen mir schließlich auch einige Ungereimtheiten auf, die gefühlten Widersprüche finden sich teilweise innerhalb einer Seite: so heißt es zunächst, in den Fens würden Reisende überfallen, um einen Absatz später zu sagen, daß niemand die Fens betrete (vgl. S. 128); Dæmonen können sich angeblich nur wenige Schritte von ihren jeweiligen Partnern entfernen, bewegen sich an anderer Stelle aber trotzdem munter in deutlicher Entfernung (bspw. der Pelikan des Steuermannes, der den mechanischen Käfer jagt, oder Pantalaimon, der als Vogel fliegt). Das störte mich zwar nicht übermäßig, irritiert hat es beim Lesen aber doch.

Das Buch ist dabei in einer angenehm klaren und schnörkellosen Sprache geschrieben, die sich auf die Handlung konzentriert und nicht in Nebensächlichkeiten verzettelt. Das macht die Lektüre sehr angenehm, ich kam eigentlich sehr rasch in dem Buch voran. Die gelegentlichen eher blumigen Beschreibungen einzelner Phänomene (bspw. der Nordlichter) waren dann umso beeindruckender. Extrem irritierend war für mich aber, daß durch das gesamte (!) Buch beinahe alle Personen (z.B. die Gypter John Faa und Farder Coram oder die Panzerbären) immer mit ihrem vollem Namen angesprochen werden, anstatt einfach nur Vor- oder Nachnamen zu verwenden. Dies gilt auch für Beschreibungen der Personen. Selbst untereinander sprechen sich alle immer mit komplettem Namen an. Auf mich wirkte das irgendwie sehr steif und ungelenk. Aus dem Erzählzusammenhang fällt schließlich eine Passage zu Beginn des Buches: den gesamten Roman über folgt der Leser ausschließlich Lyras Erlebnissen. Ganz zu Beginn dagegen wechselt die Perspektive dagegen einmal auf den Rektor des Colleges, eine Umstellung, die sonst im ganzen Buch nicht auftritt und daher wie ein Fremdkörper wirkt.

Bleiben schließlich noch die Figuren. Lyra ist noch ein Kind vor der Pubertät und das merkt man auch ganz eindeutig. Gerade zu Beginn entwickelt sie eine deutliche Fähigkeit, mir auf den Keks zu gehen. Im späteren Verlauf des Buches gibt sich das zwar etwas, das Kindliche bleibt aber auch weiterhin. Eine Entwicklung in ihrer Persönlichkeit haben die Erlebnisse im Norden scheinbar nicht mit sich gebracht. Das ist bedauerlich, böte sich doch hier, gerade auch im Hinblick auf die sehr kindliche Lyra zu Beginn des Buches, ein guter Ansatz, die Protagonistin gereift zu zeigen. Möglicherweise bleibt dies aber auch den späteren Bänden vorbehalten. Über die restlichen Figuren des Buches ist leider nur sehr wenig zu sagen. Große Persönlichkeit entwickelt zumindest in diesem Buch kaum jemand, die Figuren werden meist zu Statisten und Stichwortgebern degradiert. Die emotionalen Bindungen der Figuren untereinander waren für mich leider kaum verständlich. So ist Roger als Lyras bester Freund kaum zu erkennen, er ist das vielmehr nur, weil das Buch das behauptet. Daher bleibt nur, auf die späteren Bände zu hoffen. So richtig zufriedenstellend war das aber nicht.

Fazit
Ein zwar recht spannendes Buch, das aber durch sehr blaße Figuren und eine in vielen Bereichen kaum mehr als angedeutete Welt einiges an Möglichkeiten verschenkt. Die Neugier auf die Fortsetzung ist allerdings geweckt und gut unterhalten wurde ich auch.
Äh, jetzt wird es etwas knifflig, das folgende könnte einige hier aufregen: Allerdings kam ich während der Lektüre zu dem Schluß, es hier letztlich mit einem Jugendbuch zu tun zu haben. Das ist zwar nicht unbedingt negativ zu werten, erklärt aber doch einige der Schwächen des Buches. Für mich bewegte sich die Komplexität der Handlung auf dem Niveau der „Märchenmond“-Bücher von Hohlbein, ohne aber dessen Atmosphäre zu erreichen.

Okay, Feuer frei... *duck*
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Beitrag von Bulletrider »

--doppelpost---
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Beitrag von Bulletrider »

Wie gehabt. Sieht ja jeder anders. Für mich DAS BUCH überhaupt, dicht gefolgt von Moer´s "Rumo" und "Die Stadt der Träumenden Bücher". Aber das bleibt jedem ja selbst überlassen.
Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl eines "hab ich schonmal gelesen" oderso (vielleicht auch gerade, weil ichs einfach so toll fand und alles "eventuell negative" ausgeblendet habe...) geschweige denn eines Plagiats...
jeder wie er mag :wink:

Aber Du weisst schon, Nemesis, dass ich jetzt meine Häscher mit einem meiner Zeppeline ausschicken muss, Dein Heim dem Erdboden gleichzumachen :twisted:
nemesis

Beitrag von nemesis »

Das wir uns nicht falsch verstehen: ich hatte definitiv Spaß beim Lesen. Spannend, unkompliziert und mit einigen sehr guten Momenten. Nur fand ich es halt nicht so herausragend. Nachfolger kaufe ich aber trotzdem, schon deswegen, weil ich wissen will, wie es ausgeht. :wink:

EDIT: Zum Glück habe ich ein paar Panzerbären mit einem Feuerwerfer hier (eine der wirklich coolen Ideen des Buches). :twisted:
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Beitrag von Rider »

Oh, das mit den Zeppelinen fand ich gerade sehr cool. Passen irgendwie perfekt in die Welt (auch wenn vielleicht nicht logisch). Ob dort viel "geklaut" wurde, kann ich nicht beurteilen, da mir nichts bekannt vorkam. Einfach eine wirklich fantastische, spannende Geschichte, die ich gerne noch sehr viel länger verfolgt hätte. (als die 3 Bücher :wink: )

Aber Meinungen sind halt verschieden. Den Schreibstil von Pullmann empfand ich aber auch als sehr angenehm. Für mich ein absolutes Top-Buch!
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Beitrag von nemesis »

Die Zeppeline passen ja, es waren eher die Atomkraftwerke, die mich in dem Zusammenhang gestört haben. Mir ist aber das ganze Buch über nicht klar geworden, was das jetzt eigentlich für eine Zeit sein soll. Eher viktorianisches England (als Steamfantasy) oder modernes England?
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Beitrag von Rider »

Nee, ein modernes England auf keinen Fall...zumindest nicht in Lyras Welt. Also ich habe mich in der Fantasywelt schon zeitlich zurückversetzt gefühlt :-) Die "normale" Welt, die später noch auftaucht ist schon eher zeitlich bei uns angesetzt.
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Beitrag von nemesis »

Ja, das dachte ich ja auch die ganze Zeit. Und genau dann kommt plötzlich eine Neonröhre über einer Eingangstür und macht dieses Flair plötzlich kaputt. Das fand ich dann irgendwie schade, weil es sich so einfach hätte vermeiden lassen. Pullman hat doch auch sonst immer anbarische Lampen oder Naphthalampen eingesetzt, warum dann nicht auch da?
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Beitrag von Rider »

Hmm, hat mich da im Moment nicht gestört. Die Welt ist eh etwas abgedreht (Panzerbären *g*). Allerdings würde ich die Geschichte auch eher als Jugendbuch ansehen. Aber das ist auch okay so.
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