Skurriles

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Beitrag von Bulletrider »

Arto Paasilinna

Arto Paasilinna ist ein in Finnland extrem erfolgreicher Autor, dessen, zum Großteil absolut geniale, Bücher auch immer mehr einen Weg zu uns finden (also in deutsche Regale). In Finnland sind weit über 40 Bücher erschienen, bei uns immerhin so ca. 10-15.

Paasilinnas Bücher sind in erster Linie eines: skurril. Ein im ersten Moment ungewohnter Sprachstil vermischt mit skurril/absurd-komischen Personen und Begebenheiten. Wenns denn sowas gibt und nicht nur klischeehaft benutzt wird, könnte man von original finnischem humor sprechen, manchmal vermischt mit einer erst auf den zweiten Blick hintergründigen und nachdenklich machenden Message.

Hier stelle ich kurz drei (meine Lieblinge von A.P.) Bücher vor, die ich echt jedem nur empfehlen kann, der sich mal auf etwas literarisch neues einlassen möchte.

Das Jahr des Hasen
Amazonbeschr.:
Seine Arbeit ödet ihn an, seine Ehe ist schon seit Jahren eine Qual – der Journalist Vatanen schleppt sich von einem Tag zum nächsten. Bis ihm auf der Heimfahrt von einem seiner üblichen langweiligen Pressetermine ein junger Hase vors Auto hoppelt - und Vatanens ehemals so hübsch geordnetes Leben zum Abenteuer wird. Ein wunderbar erzählter Roman in bester Paasilinna-Manier, todernst und urkomisch zugleich.
Es beginnt mit einer gehörigen Portion Pech, ein Fotograf fährt einen Hasen an, der Beifahrer, Redakteur Vatanen sucht das verletzte Tier und läßt sich nicht mehr blicken, wütend verläßt der Fahrer den Unfallort. Merkwürdiges geschieht mit Vatanen. Mit dem Hasen im Arm wacht er am nächsten Morgen in einer Scheune auf und ausgestattet mit einer bösartigen, egoistischen Frau zieht ihn nichts mehr ins traute Heim.

Er denkt nach, denn die Zeitung für die er arbeitet ist auch nur ein einziger Bluff, präsentiert die übliche oberflächliche Regenbogenunterhaltung, da ist nichts, was eine Rückkehr lohnt. So entschließt er sich, sämtliche heimischen Zelte abzubrechen und zusammen mit dem Hasen auf Wanderschaft zu gehen. Skurrile Typen kreuzen den Weg der Gefährten, Hannikainen z.B., der sich mit dem Schädel und dem Wachstum des finnischen Präsidenten beschäftigt mit der Erkenntnis, dass dieser schon 1968 gegen einen Doppelgänger ausgetauscht wurde. Auch sonst gibts jede Menge Abenteuer zu bestehen, mit Polizisten, Tieropfer bringenden, religiösen Fanatikern, Bränden, Bären und einem Vielfrassraben, Knastaufhalte von Herrn und Hase inklusive. Leicht und locker läßt sich Paasilinna lesen, die ungewöhnliche Freundschaft, die auch in absoluten Streßsituationen allen Belastungen standhält, sorgt nämlich nicht für schweißgebadete, schlaflose Nächte, sondern fasziniert eher durch seinen sicher beabsichtigten Abstand zur harten Thrillerszene.
Der Sohn Des Donnergottes
Wie einige Blitze und etwas Psychologie eine Weltreligion ins Wanken bringen
Ein Blick vom Himmel hinab auf die Erde genügt und die Aufregung ist groß, sehr groß. Mit so etwas hat die Schar der finnischen Götter nicht gerechnet. Es geht das Gerücht um, die Finnen seien ihren uralten Göttern untreu geworden und hätten bis auf einige wenige den christlichen Glauben angenommen.
Um diese Ungeheuerlichkeit zu überprüfen und erste Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wird der Sohn des mächtigsten der Götter, des Donnergottes, auf die Erde hinunter geschickt. Und so fährt Rutja in die Gestalt des Landwirts und Antiquars Sampsa Ronkainen, der wiederum die äußere Hülle Rutjas annimmt.
Sampsa ist nicht nur insofern außergewöhnlich, als dass er unbeirrt an den alten Göttern festhält, sondern auch ansonsten glänzt er in den Augen der Leute, die ihn kennen, nicht gerade durch männlichen Stolz und Selbstbewusstsein. Man könnte sogar sagen, er steht ziemlich unter der Fuchtel diverser Weibspersonen, von denen er sich so einiges gefallen lässt. Auf seinem Gut erträgt er mehr schlecht als recht die Launen seiner Schwester und einer Frau, die sich einst seine Geliebte war und nun auch noch ihren „Bruder“ mit ins Haus geholt hat. In seinem Antiquitätengeschäft, das schon lange keinen Gewinn mehr abwirft, sorgt eine andere Frau, mit der er ein paar mal intim geworden ist, eher für Unordnung, als dass sie seine Papiere auf Vordermann bringen würde. Mit anderen Worten: Sampsa ist ein Schlappschwanz, wie er im Buche steht.
Doch jetzt steckt der energische, vor Tatendurst sprühende Rutja in der Haut Sampsas und bringt natürlich alles und alle durcheinander. Er orientiert sich an der Erfolgsgeschichte Jesu, findet für seine Mission schnell die nötigen Jünger und schließlich auch ein geniales Rezept, um die Finnen zum alten Glauben zurück zu bringen.
Wunder müssen her, doch nicht so veraltete, wie sie in der Bibel stehen. Rutja analysiert die Schwächen der Finnen und setzt seine ganze Hoffnung auf eine psychiatrische Klinik. Seine Erfolge geben ihm recht. Und schon bald sorgt die Mund-zu-Mund-Propaganda von begeisterten Patienten zu einer Renaissance des alten Glaubens.
Dieser satirische, skurrile Roman des finnischen Erfolgsautors, der bereits 1984 erschienen ist, stellt einen Höhepunkt im umfangreichen Werk Paasilinnas dar. Wie immer lässt er seiner überbordenden Fantasie freien Lauf, ohne jedoch das Ziel seiner Geschichte aus den Augen zu verlieren. Eine herrlich schräge Komödie.
Im Wald Der Gehenkten Füchse
Durch Zufall hat der kleine Gauner Oiva Juntunen erfahren, wie er ziemlich risikolos an viel Golg kommen kann. Er geht sogar so geschickt vor, dass er zwei Kumpel engagiert, die bereitwillig eine mehrjährige Haft in Kauf nehmen, während er die Beute einsammelt und verwahrt. Alles läuft wie am Schnürchen. Doch mit der Zeit gewöhnt sich Juntunen an den neuen Luxus und mag überhaupt nicht einsehen, weshalb er seine Beute teilen soll. Deshalb setzt er sich in die Wildnis Nordfinnlands ab.
Aber auch hier inst die Ruhe nicht vollkommen. Er macht die Bekanntschaft des verbitterten Major Remes, der gerade wegen einer Lebens- und Berufskrise eine Auszeit genommen hat. Beide verstehen sich prächtig, selbst als Juntunen sich gezwungen sieht, die wahren Hintergründe seines Reichtums preiszugeben.
So richten sich die beiden Männerfreunde immer luxuriöser in der kargen Einsamkeit der Wälder ein und genießen das ungebundene Leben. Schließlich nehmen sie auch noch eine alte Einsiedlerin auf, die um Haaresbreite dem Zugriff der Behörden entkommen ist, die sie ins Altersheim stecken wollten.
Von kleineren Störungen abgesehen entwickelt sich alles prächtig, bis eines Tages der aus der Haft entlassene Komplize Juntunens die Fährte aufnimmt. Mit ihm ist nicht zu spaßen, gilt er doch als humorloser Killer.
Unvorstellbar, dass dieses herrliche skurrile Lesevergnügen des finnischen Autors so lange brauchte, um für den deutschen Markt entdeckt zu werden. Viel schräger Humor um das kauzige Personal erwarten den Leser.
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Beitrag von Bulletrider »

In Schweden neulich gelesen und ein weiteres Highlight von Paasilinna:

"Ein Bär im Betstuhl", kommt nicht an meine "Lieblinge", die oben genannt sind, dran, ist aber genauso erfrischend skurril und macht einfach Spaß zu lesen!!!
Dem Spezialisten für abseitigen Nordmanns-Humor gelingt immer wieder das Kunststück, uns gleichsam zum Hintergrundsgeräusch eines knisternden Kaminfeuers in seine schrägen Storys hineinzuziehen. In diesem Falle in den Haushalt des brummigen Pastors Huuskonen und seiner giftigen Gattin. Hier hängt der Segen schief, seit die Gemeinde ihr Geschenk zum 50. Geburtstag des Pfarrers abgeliefert hat. Der Gottesmann ist nun Ziehvater eines putzigen Bärenwaisenkindes! Doch tritt eine erstaunliche Wandlung ein: Der grimme Pfaffe und das Pelztier bilden eine perfekte Symbiose. Schon am ersten Abend findet man sie im finnischen Sonnenuntergang verträumt nebeneinander auf der Wiese liegend. Die Pastorenfrau schäumt – doch es sollte noch viel schlimmer kommen... (amazon.de)
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Beitrag von Bulletrider »

Hab "Wandelgermanen" (Oliver Uschmann) jetzt durch. Super! Toll! Juhu!! :D :wink:

Anders als die beiden "Hartmut" Vorgänger, die eher voll von Alltags- und Ruhrpottkomik waren, glänzt dieser Roman eher durch eine Komik, die ihren Witz eher im tragisch-komischen, skurrilen und bisweilen auch kafkaesken findet. zur folgenden inhaltsbeschreibung kann man eigentlich nicht mehr viel hinzufügen - LESEN!!!!!!

Inhalt:
Die wohl liebenswerteste Männer-WG Deutschlands muss ihr Haus in Bochum der Abrissbirne überlassen und ein neues Heim für sich und ihre Frauen finden. Hartmut schreitet auch direkt zur Tat und ersteigert ein anscheinend perfektes Haus in der tiefsten Provinz über ebay - das sich allerdings schon auf den ersten Blick als solche Bruchbude herausstellt, dass die Frauen entsetzt die Flucht ergreifen. Der einzige Weg sie zurückzugewinnen ist, das neue Domizil auf Vordermann zu bringen und dafür ist Hartmut und seinem Mitbewohner jedes Mittel recht. Sie schrecken auch nicht davor zurück, sich den kuriosen Sitten der neuen Nachbarn anzupassen und so finden sich die beiden bald inmitten von Wandelgermanen und Wehrsportgruppen im Wald wieder…

In Oliver Uschmanns neuem Roman bekommt jeder sein Fett weg; Bürokratenwahnsinn und Kettenraucher werden genauso schamlos durch den Kakao gezogen wie Anti-Amerikanismus und übertriebene Naturverbundenheit. Der intelligente Humor macht “Wandelgermanen” zur perfekten Lektüre für Leser mit Hang zum Skurrilen, oft zum Brüllen komisch, selten albern und niemals platt. (ueberbuecher.com)
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